Das Rad für nachhaltiges Bauen ist erfunden. Nun geht es darum, die Anwendung der Nachhaltigkeit bei Bauprojekten konkret umzusetzen.
Die Baubranche befindet sich in einem spürbaren Wandel. Als Präsident des Fachverbandes Infra Suisse, der im Infrastrukturbau tätigen Unternehmen, nehme ich vier grundsätzliche Themenfelder wahr:
- Nachhaltigkeit: Es geht in Infrastruktur-Projekten zum einen um Qualität, zum anderen aber auch um wirtschaftliche Impulse: Effizienz, Lebenszyklus-Betrachtungen, neue Materialien oder Recycling. Wichtig dabei: Die Nachhaltigkeit fusst dabei immer auf allen drei Säulen: Umwelt, Wirtschaft und Sozialverträglichkeit.
- Digitalisierung: Mit neuen, komplett digitalen Bauprozessen werden die Projekte im virtuellen Raum geplant, berechnet und während der Ausführung die Baufortschritte sowie Abrechnungen digital erfasst. Produktivität und Qualität werden damit massiv gesteigert.
- Öffentliches Beschaffungsrecht: Das insgesamt vorteilhafteste Angebot soll obsiegen und nicht das billigste. Kriterien wie Nachhaltigkeit und Innovationen auf dem Bau müssen stärker berücksichtigt werden. Die rechtliche Grundlage wurde geschaffen, nun muss sie noch gelebt werden.
- Fachkräftesituation: Wie in anderen Branchen ist der Infrastrukturbau angewiesen auf genügend und gut qualifizierte Mitarbeitende. Diese Kompetenzen bestehen, müssen aber für die Zukunft gesichert werden.
Das Nachhaltigkeitskriterium hat noch immer Potential nach oben
Die jährlichen Ausgaben für den Tiefbau belaufen sich in der Schweiz auf rund 10 Milliarden Franken. Im Infrastrukturbau (Strassen, Brücken, Gleise, Tunnels etc.) richten sich die Beschaffungen nach dem öffentlichen Beschaffungsrecht (BöB), welches 2021 in Kraft gesetzt wurde. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Umsetzung der neuen Bestimmungen des BöB zum Kriterium der Nachhaltigkeit. Um dies konsequent zu messen, wurde von den Verbänden ein Vergabemonitor lanciert. Die Beobachtungen verdeutlichen, dass viele der neuen Kriterien entweder zu zögerlich oder gar nicht angewendet werden. Insbesondere das Nachhaltigkeits-Kriterium wird noch zu wenig verlangt, ist nach aktuellem Vergabemonitor jedoch in einer sehr guten Entwicklung begriffen.

Die Bedeutung einheitlicher Nachhaltigkeitskriterien
Es ist entscheidend, einheitliche und transparente Kriterien für die Nachhaltigkeit zu schaffen, anstatt dass jeder Bauherr eigene Ansätze verfolgt. Ein gutes Beispiel ist der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS), der sich als Bewertungsgrundlage etabliert hat. Bei der Umsetzung des Nachhaltigkeits-Kriteriums wurde das Rad also bereits erfunden.


Unser gemeinsames Ziel ist es, dass bei der Umsetzung und Bewertung der Nachhaltigkeitskriterien die KMU-Tauglichkeit eingehalten wird. Das heisst, dass insbesondere die Hürden zur Nachweiserbringung in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Deshalb hat Infra Suisse mit dem Berechnungstool «ECO2nstruct» mit wissenschaftlicher Begleitung eine Grundlage dafür geschaffen, den CO2-Ausstoss eines Bauprojektes einfach erfassen zu können. Kürzlich veröffentlichten wir zudem zusammen mit Bauenschweiz und dem Schweizerischen Baumeisterverband eine «Toolbox» mit Kriterien in allen drei Dimensionen www.toolbox-nachhaltigkeit.ch.
Regionale Baumaterialien leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz
Heute stammen etwa 90% der Baumaterialien aus dem Inland. Würden jedoch 20% der Materialien aus dem Ausland bezogen, hätte dies erhebliche Auswirkungen: Rund 480’000 zusätzliche Lastwagenfahrten wären erforderlich, um den Import zu gewährleisten. Die Branche tut also gut daran, auf diesem Pfad weiterzufahren. Es braucht dazu keine neuen Instrumente, sondern eine konsequente Ausrichtung der Investitionen der Bauherren anhand nachhaltiger Kriterien. Das Rad ist bereits erfunden.